Kampf um Wasserstraßen

Veröffentlicht in Allgemein

Auszüge aus der Märkischen Oderzeitung 23./24.09.2012

Eisenhüttenstadt/Fürstenwalde Laut der geplanten Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung will das Bundesverkehrsministerium nur noch dort investieren, wo bereits hohe Mengen an Gütern auf dem Wasserweg transportiert werden. Brandenburg würde leer ausgehen, dagegen regt sich Protest.

Mit einer Protestschifffahrt wehren sich brandenburgische Unternehmer, Initiativen und die Industrie- und Handelskammern von Berlin und Brandenburg gegen die umstrittenen Pläne von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU).

Beladen mit regionalen Gütern wie Futtermitteln, Metall und Papier legte der Schubverband "Edgar" am Sonnabend in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) in Richtung Berlin ab. Mit an Bord eine "Resolution für eine zukunftssichere Entwicklung der Binnenwasserstraße zwischen Elbe und Oder", die heute der Bundesregierung und dem Bundestag im Regierungsviertel überreicht werden soll.

Anlass ist die Ankündigung des Bundesverkehrsministeriums, angesichts knapper Mittel die Wasserstraßen neu zu kategorisieren. Ein Ausbau ist diesen Plänen zufolge nur noch für Wasserstraßen der wichtigsten Kategorie A vorgesehen. Dazu gehören etwa Rhein und Main, aber keiner der ostdeutschen Wasserwege. Am Mittwoch soll das Thema im Verkehrsausschuss des Bundestags beraten werden.

Abwanderung von Wirtschaftsunternehmen, Arbeitslosigkeit und Vernachlässigung von Umweltschutz-Aspekten - langfristig befürchten die Resolutionsunterzeichner ungleiche Lebensbedingungen innerhalb Deutschlands. "Wir möchten die Politik wachrütteln", sagt Mitinitiator Dietmar Raschmann vom Verein "Weitblick - Verkehrsinfrastruktur, Wirtschaft und Logistik".

Die Kritik: Die neue Kategorisierung der Wasserstraßen würde sich ausschließlich auf aktuelle Auslastungszahlen und nicht auf prognostizierte Verkehrsleistungen stützen. Fast drei Milliarden Euro seien in den vergangenen Jahren in den Ausbau der Binnenwasserstraßen Ostdeutschlands geflossen. Ein Baustopp wäre in den Augen der Binnenschiffer verheerend. Um die Strecken durchgängig für große Schubverbände nutzbar zu machen und die bisher gemachten Investitionen nicht in den Sand zu setzen, müssten nur noch wenige Schwachstellen beseitigt werden.

Zwar wurde auf der Spree-Oder-Wasserstraße bereits die Schleuse in Wernsdorf ausgebaut und aktuell verlängert man die Nordkammer der Kersdorfer Anlage auf 115 Meter, doch ohne die Modernisierung der Schleuse in Fürstenwalde (Oder-Spree) für etwa 14 Millionen Euro ist auch in Zukunft für EU-genormte größere Schiffe kein Durchkommen ohne kompliziertes Abkoppeln. "Eine Wasserstraße ist eben nur so leistungsfähig wie die kleinste Schleuse", sagt Raschmann.

Die Anhebung von zwei Brücken im Bereich Eberswalde (Barnim) für zwölf Millionen Euro brennt der Initiative ebenfalls unter den Nägeln. So ist vorgesehen, dass das neue Schiffshebewerk Niederfinow (Barnim) auch zweilagige Containerschiffe aufnehmen kann, aber mit einer Durchfahrtshöhe von nur 5,25 Metern bei betreffenden Brücken werde die Weiterfahrt verhindert - eine profitable Verbindung Berlin-Stettin stehe damit vor dem Aus. Polen und anderen osteuropäischen Ländern schlage man mit der Entscheidung die Tür vor der Nase zu, heißt es.

Zur Freude von Ausbau-Gegnern wurde die geforderte Schleusen-Ertüchtigung in Kleinmachnow (Potsdam-Mittelmark) bereits vor zwei Jahren vom Bundesverkehrsministerium gestoppt. Nach der Ertüchtigung ist der Teltowkanal für Schubverbände bis 125 Metern geeignet, doch die Schleuse ist nur 82 Meter lang. Das von der IHK errechnete Transportpotenzial von 5,5 Millionen Tonnen Gütern pro Jahr bleibt somit ungenutzt.

Mittelfristig seien etliche Arbeitsplätze bedroht. Dessen ist sich Martin Bock, Chef der Futtermittel-Getreide-Landhandel GmbH (FGL), sicher. Er beteiligt sich ebenfalls an der Protestaktion. Große Säcke mit Dünger und Getreide wurden beim Stopp des Protestschiffes am Firmengelände in Fürstenwalde (Oder-Spree) auf die "Edgar" verladen. "Wir hätten hier eine Fehlinvestition von 70 Millionen Euro getätigt und würden nach Sachsen-Anhalt abwandern", so seine Prognose, 350 Mitarbeiter seien bei einem Nichtausbau von der Arbeitslosigkeit bedroht. 10 000 Lastwagen-Ladungen könnte das Unternehmen jedes Jahr von der Straße aufs Wasser holen, dies sei nicht nur aus wirtschaftlichen sondern auch aus ökologischen Aspekten sinnvoll.

Unterstützer ArcelorMittal aus Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) möchte die jeweiligen Stärken aller drei Transportwege nutzen. So wird derzeit über eine Stahl-Auslieferung per Container bei den Eisenhüttenstädtern nachgedacht. "Diesen kann man sowohl auf das Binnenschiff, als auch auf Lkw und Waggon verladen. Das wird die zukünftige Lösung sein und dafür ist es wichtig, dass wir hier vor Ort die Chance dafür haben", sagt Ellen Finke, Leiterin der Transportlogistik. "Es stecken so viel Potenziale in den Wasserwegen, das ist einzigartig in Deutschland. Wenn die Reform durchgesetzt wird, werden sich die Firmen woanders ansiedeln", sagt Manfred Zalenga (parteilos), Landrat von Oder-Spree.

Warten auf den Verschleiß

Berlin (MOZ) Seit Sonnabend protestierten die Industrie und Handelskammern Brandenburgs und Berlins sowie Gewerkschaften und Unternehmer gegen den Stopp des Ausbaus ostdeutscher Wasserstraßen. Die Protestfahrt endete am Montag mit der Übergabe einer Resolution an das Bundesverkehrsministerium.

Montag Nachmittag. Es hat geregnet und gerade ist der für den Protest ausgewählte Schubverband "Edgar" am Schiffbauerdamm angekommen. Am Ufer drängen sich vor allem ver.di-Gewerkschafter. Auch Unternehmer sind da. An Bord des Fahrgastschiffes "MS Spree-Comtess", das in Richtung Reichstag vor "Edgar" liegt, warten vor allem Wirtschaftsvertreter, drei Bundestagsabgeordnete, darunter der Linke Thomas Nord, auf den Abgesandten des Bundesverkehrsministers. Denn gegen die Ministeriumspläne, nach denen ostdeutsche Wasserstraßen nicht mehr ausgebaut werden sollen, richtet sich der Protest.

Gustav Herzog (SPD) kommt aus Rheinland Pfalz, gehört zur Parlamentarischen Gruppe Binnenschifffahrt und sitzt im Verkehrsausschuss des Bundestages. Herzog bündelt gewissermaßen die Meinung der Protestierenden als er in das Bordmikrofon fragt: "Welches Signal braucht denn der Bundesverkehrsminister noch, dass seine Entscheidung falsch war, wenn hier Wirtschaft und Personal gemeinsam demonstrieren?"

Das Ramsauer-Ministerium hat Johannes Siebke geschickt. Der ist weder Staatssekretär noch Abteilungsleiter. Aber er ist ein wirklicher Experte. Vor seinem Wechsel in das Bundesministerium war er Projektleiter für den Neubau des Schiffshebewerkes Niederfinow. Nun nimmt er eine Protestresolution entgegen, in der steht, dass in den vergangenen Jahren fast drei Milliarden Euro in den Ausbau ostdeutscher Binnenwasserstraßen investiert wurden und nun, kurz bevor komplette Strecken mit größeren Schiffen befahrbar sind, dürfe doch nicht Schluss sein.

Siebke findet "es gut, dass sich Menschen für die Wasserstraßen engagieren." Doch leider, die Mittel, die der Bundestag zur Verfügung stellt, sind sehr begrenzt. Deswegen müsse man sich im Osten "auf das Wichtigste" konzentrieren. Da sei der "Erhalt" des Bestehenden. Auch die Schleuse in Fürstenwalde bleibt, wie sie ist. Die sei bestens in Schuss, meint Siebke. Da passen auch Schubverbände von 125 Meter Länge durch - wenn sie geteilt werden. Das dauert allerdings zweieinhalb Stunden länger.

Auch am vor zwei Jahren beschlossenen Ausbau-Aus für die Schleuse in Kleinmachnow ändert sich nichts. Und was die zwei Brücken betrifft, die zu niedrig sind, um mehrlagige Containerschiffe nach dem Start des neuen Schiffshebewerkes passieren zu lassen: Die werden erst erneuert "wenn sie abgängig sind". Mit anderen Worten: Der natürliche Verschleiß muss abgewartet werden.

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